Schreiben mit mehr Stil und Plan, Teil 2

Literatur

Heute mal in Rot: Literature von David Wheeler via Flickr, CC BY-NC-CA 2.0-Lizenz

Überraschung, gleich heute geht es weiter, wo ich am letzten Dienstag aufgehört habe: bei den Schreibprogrammen für Autoren. Zahlreiche Programme habe ich im Gepäck, entsprechend knapp muss der Überblick ausfallen. Lieblinge sind auch darunter.

Meine ersten Gehversuche mit einer Roman-Software machte ich vor etwa zehn Jahren mit dem yWriter, den ich immer noch empfehlen kann. Lange nicht so umfangreich wie Papyrus, lässt sich die Bedienung schnell erlernen. Kleinste Organisationseinheit von Texten ist die Szene, der ich eine Reihe von Zusatzinformation wie Figuren, Schauplatz, Erzählperspektive, Konflikt etc. beigeben kann. Der yWriter war mir bei der Planung des Kurzkrimis „Vom Steine befreit“ sehr nützlich, dessen Geschichte sich entlang eines Wanderwegs entspinnt. Die Software ist kostenlos verfügbar und verbraucht eher wenig Speicherplatz. Nicht schlecht für Einsteiger.

Das kann ich vom Autorenprogramm Patchwork leider nicht behaupten, das ich vor zwei Jahren einmal getestet habe. Darin steckt sicher viel Herzblut und Entwicklungsarbeit des Österreicher Autors Martin Danesch. Mir war das Programm zu unübersichtlich, ich verlor mich in den vielen Funktionen. Für die Software sprechen das aktive deutschsprachige Forum und ebensolcher Support. Patchwork kostet derzeit 98 Euro, wie bei den meisten kostenpflichtigen Programmen kann man 30 Tage lang die Demoversion testen.

Auf der Suche nach weiteren originär deutschsprachigen Programmen bin ich zunächst auf Knovelty gestoßen, habe es aber nicht ausprobiert, auch weil mir Angaben zur Aktualität der Software fehlten. Von den beschriebenen Funktionen her erinnert sie mich an den yWriter (die Macher weisen auf der Webseite auch auf die Kompatibilität mit yWriter-Projekten hin).

Screenshot des Programms Dramaqueen mit den Fenstern Outline, Text, Figuren und Erzählbögen nebeneinander.

DramaQueen erlaubt, bis zu sieben verschiedene Arbeitsebenen nebeneinander darzustellen.

Auf den ersten Blick gefällt mir – allein schon des Namens wegen – DramaQueen gut. Übersichtlich lassen sich verschiedene Arbeitsebenen nebeneinander darstellen und miteinander verknüpfen. Ursprünglich für das Drehbuchschreiben konzipiert, lässt sich das Programm auch auf „Prosamodus“ umstellen. Davon merke ich beim Ausprobieren nichts, DramaQueen bedient mit Vokabular und zugehörigen Werkzeugen (storyline, plot point, Heldenreise …)  in erster Linie Filmschaffende und Theaterautoren. Und dann wäre da noch der Preis. Zwar gibt es auch eine kostenlose Basisversion, doch die meisten schicken Werkzeuge verlangen die PRO-Version für knapp 300 Euro.

Auf der Suche nach kostenlosen Alternativen lande ich wieder bei englischsprachiger Software. Aus Italien kommt Bibisco das m.E. einen Blick lohnt und sich auch auf Deutsch angenehm bedienen lässt. Die Struktur und Oberfläche von Bibisco unterscheidet sich von allen bisher getesteten Programmen. Der eigentliche Text versteckt sich ein bisschen hinter all den Werkzeugen, die Zusammensicht aller Szenen und Kapitel erfolgt am einfachsten via Textexport. Inspirierend finde ich all die Fragen, die Bibisco systematisch an den Text stellt: Was ist der Kernkonflikt? Wie entwickeln sich meine Figuren? Welche Erzählperspektive sollte ich wählen? Das Programm bleibt jedenfalls vorerst auf meinem Rechner installiert.

Screenshot vom Figurenblatt Waltraud

Bibisco setzt auf charaktergetriebene Erzählung. Entsprechend ausführlich ist das Datenblatt zu Figuren.

Gar nicht erst installiert habe ich FreeWriter, das bei anglophonen Autoren beliebt zu sein scheint. Erstens weil es ähnlich überladen wie Patchwork auf mich wirkte, zweitens weil mir die Puste ausging und drittens, weil es die spannenden Features erst in der Bezahlversion gibt. Die allerdings mit 19 Dollar auch nicht viel kostet.

Die Besprechung weiterer Programme wie NewNovelist, Write It Now, WriteWay  oder all der Software aus dem Writers‘ Store spare ich mir zugunsten eines grundsätzlichen Fazits.

Denn bei allen netten Werkzeugen bleibt doch die Frage: Brauche ich eine solche Spezialsoftware oder reicht eine gewöhnliche Textverarbeitung? So individuell verschieden auch unsere Schreibprozesse und Vorlieben sein mögen, wage ich folgende Generalisierung:

  1. Das Erlernen eines Schreibprogramms lohnt nur für größere Projekte oder die Vielschreiberin. Eine Kurzgeschichte würde ich mit Word etc. schreiben, falls ich noch nie mit einer Romansoftware gearbeitet habe. Die Zeit, die ich mit dem Ausprobieren spezieller Funktionen verbringen würde, investiere ich besser in gute Ideen und sorgfältige Textarbeit. Mit den ganzen Spielzeugen kann man sich nämlich gut vor dem eigentlichen Schreiben drücken.
  2. Ein gutes Programm erleichtert die Arbeit am Text, ersetzt jedoch niemals die eigene Kreativität. Manche Funktionen empfand ich sogar als kreativitätshemmend, obwohl gut gemeint. Denn wer schreibt mir vor, einer klassischen Spannungskurve folgen zu müssen? Eine gesunde Skepsis gegenüber einer Software zugrundeliegenden Prämissen ist angebracht.
  3. Wenn Geld keine Rolle spielte, würde ich (künftigen) Romanautoren nach diesem Test Papyrus Autor empfehlen. Wer niederschwellig und über einen längeren Zeitraum als 30 Tage testen will, nimmt am besten den yWriter. Spätere Revisionen nicht ausgeschlossen.

Welche Erfahrungen habt ihr mit den erwähnten oder ganz anderen Programmen gemacht?

5 Gedanken zu „Schreiben mit mehr Stil und Plan, Teil 2

  1. Miss Novice
    Ich habe noch nie eine solche Software getestet, sehe ich mich doch eher Truman Capote gleich auf Capri vor einer großen Schreibmaschine sitzen, einen G&T griffbereit. Aber Deine Berichte machen Lust, mal was auszuprobieren. Vor allem bin ich gespannt auf Features wie Stilanalyse etc. Ebenfalls denke ich, könnte eine solche Softwarte, wie Du auch empfiehlst, dann sinnvoll sein, wenn man eine große Kiste überblicken muss. Dann ist wohl ein Hin und Her im entstehenden Text einfacher, entnehme ich Deinen Analysen.
    Vielen Dank und liebe Grüße, Urs

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  2. Liebe Miss Novice,
    ich gebe dir recht, dass eine Software für ein längeres Schreib-Projekt hilfreich und unterstützend sein kann, so habe ich Papyrus mit seinen Möglichkeiten erlebt.
    Aber, die kontunierliche Beschäftigung mit seinen Funktionen ist ein absolutes Muss und eben zeitintensiv. yWriter kannte ich noch nicht, klingt aber spannend, werde ich mir mal anschauen und ausprobieren.
    Ich glaube, da „tickt“ jede und jeder schreibend anders und wird je nach Vorlieben das eine oder andere aussuchen. Wie immer genieße ich die Informationen, die du uns nach jedem neuen wöchentlichen Selbstexperiment vorsortiert zur Verfügung stellst und ich so einen guten Überblick erhalte, den ich für mich nutzen kann,
    dir herzlichen Dank dafür,
    viele Grüße,
    Mia

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  3. Liebe Amy,
    ich war ja guten Willens und auch ganz begierig so etwas auch mal auszuprobieren. Also habe ich mir die Demo-Version von Papyrus runtergeladen. Und dann kam der Frust. Ich konnte es nicht öffnen und mußte mich von meinem Sohn belehren lassen, dass meine Windows-Version dafür viel zu veraltet ist und ich mir endlich mal einen neuen PC besorgen solle. Nun habe ich das Projekt erst mal wieder verschoben und schreibe einfach weiter frei Schnauze.
    Liebe Grüße
    Anne

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  4. Liebe Amy,
    vielen Dank für die Vorstellung der verschiedenen Programme und dein Fazit, das ich sehr überzeugend finde. Zum Ausprobieren würden mich DramaQueen und Bisbisco am meisten reizen. Aber im Moment schrecke ich noch vor dem Einarbeitungsaufwand zurück. Aber für ein größeres Schreibprojekt kann die Software sicherlich hilfreich sein – aber die kreativen Ideen muss ich nach wie vor noch selbst haben.

    Herzliche Grüße
    Ulrike

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  5. Liebe Amy,
    danke für die tolle Übersicht und deine Anregungen oder auch Abregungen. 😉
    Die eine oder andere Empfehlung (Papyrus, yWriter, Bisbisco & DramaQueen vor allem auch des Namens wegen) will ich mal im Auge behalten und in ruhigeren Zeiten vielleicht auch mal ausprobieren. Im Moment würde ich aber auch erstmal beim guten alten Word verbleiben…
    lg. mo…

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